Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und Evonik Industries, das Leibniz-Institut für Polymerforschung in Dresden sowie die Australian National University in Canberra haben in enger Zusammenarbeit einen neuen Kunststoff entwickelt, der in der Lage ist, sich bereits bei sehr niedrigen Temperaturen beliebig oft selbst “zu heilen“.
Moderate Erwärmung löst Selbstheilung aus
Der Kunststoff stellt ein Polymernetzwerk dar. Verwendung findet der neu entwickelte Kunststoff im Autolack oder in anderen polymeren Materialien. Gelangt beispielsweise ein Kratzer in den Autolack, ist der Kunststoff in der Lage, sich nach der Schädigung seine bisherige molekulare Struktur selbst wiederherzustellen. Dadurch ist es möglich, dass der Kratzer nahezu selbsttätig verschwindet. Hierzu ist es lediglich erforderlich, eine moderate Erwärmung des Kunststoffs herbeizuführen. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten Fachmagazin “Advanced Materials” veröffentlicht. Die Forschungsgruppe um Christoph Barner-Kowollik nutzt dabei zur Herstellung der selbst heilenden Materialien die Möglichkeit, kleine Moleküle beziehungsweise Funktionalitätsfasern durch eine Umkehrbarkeit der chemischen Reaktion zu einem molekularen Netzwerk zu verbinden.
Selbstheilung beliebig oft wiederholbar
Die auch als schaltbare Netzwerke bezeichneten Strukturen werden nach einer Beschädigung wieder in die Ausgangsbausteine zerlegt und neu zusammengefügt. Besonders interessant ist dabei, dass die Mechanismen beliebig oft ausgelöst werden können. Dies wird durch die Zugabe von Licht, Hitze oder einer speziellen Chemikalie ermöglicht. Barner-Kowollik betont dabei, dass der Vorteil eine katalysatorfreie Anwendung ist. Ein “Zusatzstoff“ wird zur Auslösung des Prozesses somit nicht benötigt. Barner-Kowollik ist Inhaber des Lehrstuhls für Präparative Makromolekulare Chemie am KIT. Insgesamt vier Jahre dauerte die Forschung, die zusammen mit Evonik Industries durchgeführt wurde. Mithilfe der selbstheilenden Materialien ist es möglich, Reparaturen in relativ kurzer Zeit und mit relativ geringem Aufwand, ohne Zugabe weiterer Reparaturmaterialien zu vollziehen.
Erwärmung verbessert Fließfähigkeit
Die Wissenschaftler haben unter anderem mithilfe mechanischer Tests, worunter sich auch Zugversuche sowie das Prüfen der Zähigkeit befanden, herausgefunden, dass die Eigenschaften des Materials jeweils wie vor der Beschädigung waren. Zum Teil wurde sogar nachgewiesen, dass nach der Heilung eine stärkere Bindung der Materialien als zuvor stattgefunden hatte. Weil das Material des neuen Kunststoffs bei höheren Temperaturen zudem fließfähiger wird, lässt es sich auch zur Umformung besonders gut nutzen. Als ein Anwendungsbereich ist die Automobilindustrie zu nennen. Aber auch in der Luftfahrtindustrie sehen die Wissenschaftler Anwendungsgebiete. An dem Forschungsprojekt ist neben dem KIT auch das Chemieunternehmen Evonik Industries sowie das Leibniz-Institut für Polymerforschung in Dresden sowie die Australian National University in Canberra beteiligt. Wann das entwickelte Material in die industrielle Produktion geht, ist derweil aber noch unbekannt.